Eine Geldheirat by Stendhal

Eine Geldheirat by Stendhal

Autor:Stendhal
Format: epub
Tags: Roman


VII

Eines Tages unterhielten sich die Gäste gegen Ende des Mahles über die jüngsten Pariser Neuigkeiten. Ein Gast, der erst seit kurzem im Hause Boissaux verkehrte, erwähnte dabei:

»Heute vormittag ist in einem Duell ein junger Mann getötet worden. Sie werden ihn gewiß kennen, denn er besuchte jeden Tag die Oper. Er war wirklich ein prächtiger Bursche, ließ aber immer den Kopf hängen, als ob er sein Ende vorausgeahnt hätte. Er hieß Feder.«

Ein Nachbar suchte ihn zum Schweigen zu bringen, zupfte ihn heftig am Ärmel und flüsterte ihm einige Worte zu. Weder Boissaux noch Delangle hatten die Mitteilung vernommen. Frau Boissaux aber war keine einzige Silbe entgangen. Sie fühlte sich dem Tode nahe und hielt sich krampfhaft am Tischrande fest, um nicht umzusinken. Dann spähte sie forschend, ob niemand von den Gästen ihre Bestürzung bemerkt hatte. »Zwischen fünfundzwanzig und dreißig Personen sitzen hier!« sagte sie sich. »Das gäbe einen schrecklichen Skandal! Was würde man nicht alles vermuten!« Ihre Furcht, Aufsehen zu erregen, war so groß, daß sie gefaßt und mutig ihr Taschentuch hervorholte, es an ihr Antlitz drückte und ihrem Gatten durch Zeichen zu verstehen gab, daß sie Nasenbluten hätte. Boissaux fiel dies nicht weiter auf, da sie häufig unter diesem Übel litt. Einige Worte genügten, um die Hausfrau zu entschuldigen.

Kaum war Valentine in ihrem Zimmer, als sie in Tränen ausbrach. »Wenn ich mich niederlegen würde,« sagte sie sich, »so könnte ich niemals mehr aufstehen! Und die Zimmer sind so eng nebeneinander, die Leute alle solche Grobiane, daß sie imstande sind, nach dem Essen zu mir hereinzustürzen ... Ach! Ich muß noch heute abend nach Paris fahren und morgen nach Bordeaux. Das ist die einzige Möglichkeit, meine Ehre zu retten!«

Die arme Frau war in Tränen aufgelöst. Sie vermochte sich kaum aufrechtzuerhalten und brauchte eine halbe Stunde, um sich von ihrem Schlafzimmer bis in den anstoßenden Wintergarten zu schleppen. Sie stützte sich auf die Kübel einiger Orangenbäumchen, die im Frost des verflossenen Winters verdorrt noch der lichtenden Hand des Gärtners harrten, und gelangte endlich mit vieler Mühe zu einer amerikanischen Tanne, die ganz im Hintergrunde des Wintergartens mit ihren hunderten Ästen fast bis an die Decke langte. Da verbarg sie sich und wagte zum ersten Male sich zu sagen: »Er ist tot! Niemals mehr werde ich ihn sehen!« Sie wollte sich auf den Tannenkübel stützen. Aber ihre zitternde Hand entglitt. Sie fiel der Länge nach zu Boden. Gerade in diesem Augenblick hatte sich ihr Gatte erhoben, um sie, über ihre lange Abwesenheit beunruhigt, zu suchen.

Als Valentine wieder zur Besinnung kam, vermochte sie sich im ersten Augenblick nicht zurecht zu finden und fühlte mit Erstaunen, daß sie auf staubigem Lehmboden lag. Doch es währte nicht lange, und sie ward sich alles Erlebten wieder mit erschreckender Klarheit bewußt. In jähem Emporschrecken meinte sie schon ihren Gatten eilig herannahen zu sehen. Mit ihm fünf oder sechs Gäste, die zu seinem engsten Freundeskreis gehörten. »Was soll ich tun? Was wird mit mir geschehen?« stöhnte die unglückliche Frau verzweifelt auf. »Alle werden es erfahren. Womit soll ich denn



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